Der heutige Tag eröffnet neue alte Einsichten über mich und meine Psyche. Die 20km lange Strecke von Reutlingen nach Dettenhausen im Schönbuch lässt sich sehr genau in zwei Phasen einteilen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und mir einmal mehr zu der Einsicht verhelfen: Im Wald geht es mir einfach gut!
auf einen Blick: Reutlingen - Dettenhausen
Länge: etwa 21km (Tractive sagt 18km, hat zwischendurch aber kein Signal...)
Höhenmeter: 263m hoch, 263m runter (sagt GoogleMaps)
Dauer: Mit vielen Pausen etwa 7h
Start: Reutlingen Hohbuch
Ziel: Dettenhausen im Schönbuch
Empfohlene Ausrüstung: Eine analoge oder offline nutzbare Wanderkarte für den Schönbuch - hier gibt es nicht überall Empfang!
Der Weg: Wir folgen dem Fahrradweg von Reutlingen nach Betzingen und weiter nach Wannweil. Für eine anhängerangepasste Reise empfiehlt sich der Weg an den Gleisen entlang nach Wannweil. Wer wie ich das Schild verpasst, kann am Restaurant Karlshöhe in Betzingen rechts abbiegen und durch den Wald laufen. Das kostet aber ordentlich (holprige) Höhenmeter. Von Wannweil nach Kirchentellinsfurt an den Baggersee weiter der Fahrradweg-Beschilderung folgen. Hinter dem Baggersee-Parkplatz geht es ein paar Meter nach rechts und dann in den Wald hinein, vorerst Richtung Einsiedel, später dem Fahrradweg nach Dettenhausen folgend. Das letzte Stück führt an der Straße durch den Schönbuch entlang.

Nach einem entspannten Karfreitagsfrühstück starten Laki und ich unsere vorletzte Etappe zurück in heimische Gefilde. Bevor wir aber mit dem Schönbuch vertraute Reviere betreten können, müssen wir uns durch die Ortschaften in der Verlängerung von Reutlingen durchschlagen. Das funktioniert zu Beginn ganz gut. Die Radwege-Beschilderung ist hervorragend, das Wetter etwas freundlicher und die Obstbäume blühen. Eigentlich ganz schön. Bis wir nach Betzingen kommen (also nach den ersten drei Kilometern). Hier verpasse ich irgendwie den Fahrradweg nach Wannweil (der Hund ist schon längst wieder im Anhänger - der darf nachher im Schönbuch eine längere Strecke laufen), der eigentlich im Tal an den Gleisen entlang führt. Stattdessen lande ich am Restaurant Karlshöhe. Wie ihr wisst, bin ich Seglerin und eine der Grundsätze beim Segeln lautet: Keine Höhe verschenken. Damit ist zwar eigentlich die Richtung zum Wind gemeint, aber ich finde, die Regel lässt sich ganz gut aufs Wandern übertragen. Wenn man schon hochgelaufen ist, sollte man ohne Grund nicht wieder runter laufen, wenn es auch anders geht. Also laufe ich nicht zurück, was rückblickend die klügere Entscheidung gewesen wäre, sondern erkunde neue Strecken. Nach Wannweil gibt es nämlich noch einen Weg durch den Wald.

Also folgen wir der Straße, die am Ortsrand in einen Schotterweg übergeht, eine Kurve macht und dann...
...in einen Trampelpfad mündet. Na gut, der Hund bleibt trotzdem erstmal drin. Ich fahre einfach ganz vorsichtig über die Steine. Und die Wurzeln. Und um die Kurve. Und...
... zur Bank! Pause!
Wäre da nicht der im Wind knarzende Baum und der viele Müll auf der Wiese. Also bleibt es bei zwei Happen von meinem Brot und einem Schluck Wasser und wir gehen weiter. Aber der Pfad wird im Folgenden nicht nur schmäler und kurvig, sondern es geht auch bergab (logisch, wir sind ja vorher bergauf gelaufen. Irgendwie müssen wir von der Karlshöhe ja wieder runter kommen). Laki muss hinter mir laufen und gemeinsam poltern wir den Pfad hinab. Bis es noch schwieriger wird und eine Treppe auftaucht. Na klasse.
Es folgt ein anstrengender Abschnitt durch Wannweil und anschließend Kirchentellinsfurt, bis wir am Baggersee bei der Hälfte der Tagesetappe Mittagspause machen. Ich will nicht zu negativ werden, deswegen nur so viel: Autos stinken. Wandern auf Asphalt ist Mist. Der Wagen muss wiederholt über Bordsteinkanten holpern. Meine Schultern tun weh und mein Rucksack erscheint mir um Tonnen schwerer als gestern. Meine Füße tun weh und insbesondere mein rechtes Fußbett krampft sich ungut zusammen. Mein linkes Knie hat jetzt auch gemerkt, dass das, was wir die letzten Tage so gemacht haben, eigentlich ganz schön anstrengend ist und erinnert mich schmerzhaft an seine Existenz. Mein Handgelenk tut weh vom Schieben. Es ist kalt. Und es zieht immer weiter zu. Soll es heute noch regnen?

Die Pause am Baggersee fällt wetterbedingt kurz aus, aber dann geht es in den Wald. Und es ist wirklich witzig, aber sobald wir im Wald sind, die Straße hinter uns liegt und die Welt um uns herum wieder still wird, geht es mir wieder gut! Mein Knie hat sein kurzzeitig angestrengtes Dasein akzeptiert. Kalt ist mir nicht mehr, denn es geht leicht bergauf. Laki darf selber laufen, was mein Handgelenk klasse findet. Meine Füße fühlen sich pudelwohl in meinen Wanderschuhen. Und mein Rucksack ist auf einmal federleicht. "Heute schaffen wir locker noch zehn Kilometer extra dazu", sagt mir mein Körper. Seltsam, was Schönbuch-Endorphine alles mit mir anstellen!
Laki feiert den anstehenden Waldspaziergang auch - mit einem kühlen Schluck aus dem Knobelbrunnen. Er findet nur die dazugehörige Pfütze ein bisschen umständlich. Und reinlegen kann er sich da leider auch nicht...

Wir treffen im Wald außerdem auf einen netten Radfahrer (der den fahrenden Goldie erst für Camping-Ausrüstung hält und unsere Tour dann aber richtig klasse findet) sowie ein freundliches Wander-Ehepaar, das zu Lakis Freude eine Goldie-Dame mit dabei hat. Während Laki und ich Rast am See machen, darf mein Oldie die auch nicht mehr ganz so junge Hundedame umgarnen. Während das Traumpärchen im See planscht, fachsimpeln wir über die Eigenheiten und Altersmacken unserer Vierbeiner. Und nachdem unsere Gesprächspartner weiter gezogen sind, gibt es noch einen Snack für uns: Für mich leckeren Apfelkuchen (danke Mela), für Laki einen Veggie-Stick. Mjam.

Bis Dettenhausen laufen wir durch den Schönbuch und es bleibt auch am Ende der 20km-Strecke dabei, dass im Wald alle Asphalt-Strapazen des Vormittags vergessen sind. Ich könnte Bäume ausreißen (was ich natürlich nicht tue, sonst ist bald kein Wald mehr da, durch den man hindurch laufen könnte) und ich sehe bestimmt lustig aus, wie ich debil grinsend und mal hierhin, mal dorthin zeigend "Ist das schön" ausrufe. Aber ich freue mich einfach so, im Wald zu sein! Und der Schönbuch ist auch einfach ein sehr schöner Wald.
Heute hat mir das Waldwandern also auf jeden Fall Energie geschenkt und ich scheine auch an einem Punkt angelangt zu sein, an dem ich mich an das Zusatzgewicht und die Strecke (zumindest durch die Natur) gewöhnt habe. Das Wandern macht mir richtig viel Spaß und ich finde es unglaublich schade, dass es morgen schon vorbei sein soll. Heute Abend genieße ich aber trotzdem nochmal das Ankommen, denn Laki und ich besuchen heute abermals eine Freundin und ihren Freund. Und dass die Woche und unsere Albtour morgen zu einem Ende kommt, daran denke ich einfach heute noch nicht. Soll mich die Realität morgen wieder einholen, heute bin ich noch im Wander-Himmel.
Fühlt euch angegrinst und geht auch bald mal wieder in den Wald (der regeneriert die Psyche),
wir zwei
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